Marbled Blue Vinyl

Sunday, May 31, 2009

The Cure - Standing on a Beach

The Cure - Standing on a Beach

(1986 / Fiction / 12" Vinyl)

Zugegebenermaßen, ich habe mich lange nicht mehr eingehend mit The Cure befasst. Dafür, dass sich die Band bei mir mit mindestens 3 Alben auf der 10/10er-Seite befindet (befand? Ach,...ich weiß es nicht!), ist sie ziemlich weit weggerückt. Doch als ich heute mal wieder auf der Suche nach einem neuen Rezensionsopfer vor dem Plattenregal rumrollte, fiel mir diese schöne Singlecollection ins Auge. Ja, schon wieder eine Compilation, aber da die meisten dieser Songs nie auf einem Album zu finden waren, macht es schon Sinn, sich mit diesem, lange nicht gehörten, Schätzchen auseinanderzusetzen - und natürlich zu sehen, ob The Cure inzwischen wirklich so weit weg sind, wie ich es derzeit einschätze. Naja mal auflegen, das gute Stück.

Wie schon erwähnt handelt es sich bei Standing on a Beach um eine Singlecollection der früheren Jahre von The Cure. Hier werden die Auskopplungen und non-album-Singles der Alben bis inklusive Head on the Door, also 1986, abgedeckt. Wer sich ein wenig mit der Bandgeschichte auskennt (oder meine Pornography-Rezension gelesen hat), wird wissen, dass die Band um Robert Smith in dieser Zeit enorme Wandlungen durchgemacht hat. Aber der Reihe nacht. Killing An Arab ist der Eröffnungstrack der LP und er hört sich ziemlich genau so an wie ich ihn in Erinnerung hab. Das ist UK-Punk Ende der 70er, mehr oder weniger, vom Fließband. Klar, schmissig ist das Ding schon, genau wie Track 3 Jumping Someone Else's Train, aber die großen Ideen hatten damals sicherlich andere. Man sollte schon eher an den Stellen hinhören, an denen der Knisterpegel meiner (natürlich gebraucht gekauften) Platte ungeahnte Höhen erreicht (sie wurde offenbar oft, sehr oft aufgelegt): Boys don't Cry und A Forest sind sicherlich zwei der wichtigsten Cure-Songs überhaupt und man kann auch heute noch hören warum. A Forest war zwar erstmals ein Abtauchen in düsterere Gefilde (natürlich gepaart mit einem Video, das eins zu eins so aussieht, wie man es sich bei diesem Songtitel vorstellt), ist aber immer noch erstaunlich simpel und catchy. Eine memorable Bassline da, ein paar kaum verzerrte Gitarrenakkorde hier, und ein paar cheesy "piiiuuuuhh"-Sounds eines effektbeladenen Drumkits, fertig der Gothicklassiker (wenn man so will). Für mich noch viel besser ist aber Boys don't Cry, der Song für den The Cure auch heute noch unter Mainstreamhörern bekannt sind. Es gab sicherlich nicht allzuviele Momente in denen Robert Smith als Songwriter, anders als als Stimmungsmacher, Bandleader oder Gitarrist, auftrumpfte... - dieser hier ist einer davon. Ist einfach ein genialer Popsong.

Es folgen zwei Albumtracks. Primary war auf dem 81er-Werk Faith der Rocker unter den 8 Stücken. Guter Song, aber der Rest der LP war mir lieber. Auf diesem Sampler macht er umso mehr Sinn, denn zwischen den upbeat-Stücken der frühen Cure steht er günstiger, als unter den eher ausgefeilten Songs des flächigeren Faith. The Hanging Garden jedoch hätte man nie aus dem Kontext des meisterhaften Pornography nehmen dürfen. Der Song, den ich schon auf dem Album nicht als Highlight empfunden habe, wirkt hier etwas verloren zwischen den anderen Stücken und die laufende Entwicklung einer jungen Band, die sich auf Standing on a Beach Stück für Stück vollzieht, wirkt hier seltsam gebremst - vor allem nach der non-album-Single Charlotte Sometimes, die diesen Job da schon besser macht (vielleicht ist das auch einfach nur Gewohnheit), auch wenn man sie klangtechnisch eher in die Disintegration-Zeit um Ende der 80er einordnen würde, in der der wall of sound, der hier noch etwas primitiver anmutet, zur Perfektion gebracht wurde.

Wenn man die Platte umdreht wird man Zeuge einer der eigenartigsten Transformationen der Musikgeschichte. Es folgt eine Reihe von non-album-Singles die nach dem destruktiven Höhepunkt Pornography aufgenommen wurden und wirklich so anders sind, das man meinen könnte, man hat es mit einer anderen Band zu tun (naja gut, das Besetzungskarussel drehte natürlich...). Let's Go to Bed, The Walk und The Lovecats klingen alle so dermaßen eighties, dass es fast nicht mehr feierlich, aber doch irgendwie faszienierend ist. Und vor allem sind sie eine Lehrstunde in Sachen 80er-Pop die man nicht auslassen sollte - was auch wenige Leute taten - die Singles gehören heute noch zu den kommerziellen Höhepunkten in der Discographie der Band. Manch beinharter Grufti fiel sicherlich vom Glauben ab, als er die kultigen Videos zu diesen Songs gesehen hatte - aber im Ernst: wer dachte wirklich, dass The Cure hier lange stehen bleiben? Na gut, sie machten wirklich ein, eher unnötiges, Album in diesem Stil, The Top von 1984, von dem auch das folgende The Caterpillar stammt, bevor sie sich in ihrer nächsten Inkarnation als exzentrische, aber verlässliche Pop/Rock-Band etablierten. Close to Me, In Between Days, Why can't I be You? und Just Like Heaven waren die Folge, alle 4 wiederrum Beispiele dafür, dass in Robert Smith auch nach gesundheitlich sicherlich weniger günstigen Jahren noch ein wahrer Songwriter schlummerte. Die beiden erstgenannten Songs bilden den Abschluss von Standing on a Beach und was gerade in Close to Me an sonic imgagination aufgeboten wird...das musste einfach ein Hit werden...So...und was bleibt schlussendlich zu sagen? Hat es mir Spaß gemacht mich durch die ersten Jahre dieser Band zu hören? War es eher Nostalgie oder bestehen diese Songs noch heute? Naja zum ersten wäre zu sagen, dass The Cure gerade in den Jahren 80 bis 84 eher eine Albenband waren und die Singleauswahl in dieser Zeit sicherlich nicht immer die Günstigste war. Andererseits ist es beeindruckend welche Pfade diese Band in einer dermaßen kurzen Zeit genommen hat und was für Schmuckstücke sie dabei am Wegesrand hinterlassen haben. Spaß...ja, Spaß hatte ich - let the eighties wash all over you.

Die Vinylaufmachung von Standing on a Beach fand ich immer schon etwas gewöhnungsbedürftig. Aus dem Artwork-Konzept hätte man sicherlich ein bischen mehr machen können als ein paar schwarz/weiß-Fotos mit angedeuteten, künstlichen Farben anzureichern, ein paar der alten Single-Cover ins den Sand zu schmeißen (siehe Klappcover) und ne Alge daneben zu legen...Andererseits, besser ein Klappcover als gar keins. Vielleicht liegt meine Skepsis auch an meiner zerramschten, durchstochenen, befleckten und abgegriffenen Ausgabe? Macht nix, für 5 Euro kauft man sich so eine Platte - Keine Frage!

Rating - 8 / 10
Vinyl-Rating - 6,5 / 10

- CGV -

Thursday, May 14, 2009

Various Artists - 2001: A Space Odyssey OST

Various Artists - 2001: A Space Odyssey OST

(1968 / MGM / 12" Vinyl)

Da hat man mal zwei Tage Urlaub, die Ruhe weg und Lust mal wieder eine komplett neue Rezension zu schreiben (wie gesagt, ein oder zwei hab ich noch in einem Notizbuch stehen, bloß nie abgetippt), lässt seinen Blick durchs Plattenregal streifen, zieht Merriweather Post Pavillion in Erwägung, bleibt kurz bei Reckoning hängen und lässt schließlich auch Exile on Main St links liegen. Neenee, da muss schon was ganz anderes her! Dann muss es schon eine Klassik-Soundtrack-Compilation zu einem der verwirrendsten und besten Filme aller Zeiten sein! Ich glaube, die einzige Soundtrack bzw Compilation Rezension die ich geschrieben hab war über den Lost in Translation OST, der natürlich ganz im Zeichen der Indie/Pop-Musik stand - eine wahnsinnig gute und stimmungsvolle Zusammenstellung, ohne Frage, aber der Soundtrack zu 2001: A Space Odyssey ist wichtiger, zeichensetzender, revolutionärer, er ist einfach sowas wie DER Soundtrack. So revolutionär, dass nach Release des Filmes auf Veröffentlichungen einiger der über hundert Jahre alten Klassiker, die auf dieser Compilation zu finden sind, plötzlich ein Aufkleber prangte "as heard in 2001: A Space Odyssey".

Wie gesagt, es handelt sich hier um eine Zusammenstellung klassischer Stücke aus dem deutschsprachigen Raum und avantgardistischen Kompositionen aus dem (damals) sowjetischen Gebiet. Den Anfang macht Also Sprach Zarathustra von Richard Strauss in einer Einspielung der Berliner Philharmoniker und egal ob man den Film nun kennt oder nicht, man hat automatisch die "Knochenszene/Reborn-Szene"vor sich, ob nun aus dem Original oder aus einer der unzähligen Parodien - (die Verbindung zwischen Nietzsches Zarathustra und der Storyline des Filmes...das muss ich wohl nochmal mit einer Philosophiestudentin erörtern...). Kubrick, der den Soundtrack eigentlich nur für ein Testscreening des Films zusammenstellte (der eigentlich angedachte Score befand sich zu diesem Zeitpunkt noch in der Produktion) hat hiermit wohl den wichtigsten Grundstein für die Verwendung von Musik in Filmen ever gelegt. Es ist wahrscheinlich, dass kein anderes Stück die bombastische Anfangssequenz des Films besser hätte einfangen können als Zarathustra, vorallem eben nicht der Score von Alex North. Das sah offenbar auch das Testpublikum so. Und so kam es dazu, dass der inzwischen tatsächlich vollendete aber eben nie verwendete Score schließlich erst 2008 in seiner Originalform zugänglich gemacht wurde, aber nie im Kontext des Filmes zu hören war. Angeblich erfuhr North erst kurz vor der Veröffentlichung, nachdem er eine Vorpremiere des Films gesehen hatte, dass sein Soundtrack abgelehnt wurde...man weiß es nicht. Fakt ist jedoch, dass der Film es nicht nur schaffte, wohlbekannte klassische Stücke in einem cinematischen Kontext neue Konturen zu verleihen, es war ihm durch seine optische Brillianz auch möglich, dem Publikum eine so abstruse und anspruchsvolle Chorkomposition wie György Ligetis Requiem näherzubringen ohne das jemand das Kino verlassen musste. Auch Requiem ist eng gekoppelt mit einigen Schlüsselszenen des Films und wirkt am eindringlichsten an dem Punkt, als wir merken, dass es der Monolith der auch für die beklemmende Anfangssequenz verantwortlich war, auch in der Gegenwart auftaucht. Die Musik sugeriert in diesem Moment die absolute Bedrohung, ausgedrückt durch ein unterschwelliges, wortloses Chorarrangement des rumänischen Exzentrikers. Mit etwas weniger Respekt könnte man die Musik einfach "gruselig" nennen, im klassischen Kontext heißt es dann wohl "intensiv" - wie man es auch dreht, ohne dieses Stück wäre der Film nur halb so wertvoll. Ohne merkliche Pause geht Requiem in Lux Aeterna über, das zwar immer noch die Grenzen der traditionellen Klassik weit hinter sich lässt, aber doch, zumindest etwas, harmonischer (auch wenn hier nicht unbedingt Harmonien in herkömmlichen Sinn vorliegen) wirkt. Auch hier lässt er uns spüren, zu welchen Klängen ein guter Chor, komplett ohne Textvorgaben fähig sein kann. Ein bischen erinnert mich das Stück an einige der Kompositionen die Brian Eno für sein "Mondalbum" Apollo Atmospheres and Soundtracks geschrieben hat - und auch in 2001 wird Ligetis Stück dazu benutzt, einen Flug über die Mondoberfläche eindrucksvoll zu untermalen.

Den laufzeitmäßig größten und wohl auch populärsten Teil des Soundtracks nimmt wohl An der schönen blauen Donau von Johann Strauss ein, auch hier wieder eine Einspielung der Berliner Philharmoniker. Das Stück hat natürlich nichts von der herausfordernden und subtilen Wirkung der Ligeti-Kompositionen, wirkt stattdessen mit seinem herantapsenden Beginn und seinen harmonischen Bögen wie gemacht für die geniale Szene, in der es schließlich auch eingesetzt wurde - das Andocken an den Spaceport. Das dieser Teil des Films ausschließlich mit, damals revolutionären, Special Effects umgesetzt wurde, ist kaum zu glauben wenn man sich die walzermäßige Präzession und Anmut ansieht, mit der hier choreografiert wurde. Wie hätte man diese Szene schlüssig anders unterlegen sollen? Hier wurde ein zweites mal das Ziel erreicht, den Film, untrennbar mit seinem Soundtrack, als Gesamtkunstwerk zu etablieren. Und wenn der Film schließlich der Dramatik der Musik zu folgen scheint und auf den Höhepunkt der Szene zusteuert, wird es schließlich fast unmöglich zu trennen was vorher da war: Musik oder Film?

Filmisch mindestens genauso eindrucksvoll und perfekt unterlegt wurde die Szene, in der wir das erste mal die Hauptprotagonisten beim Training bzw beim Aufwachen in ihrem Raumschiff sehen. Hierfür wählte Kubrick eine ähnlich harmonische Komposition, die Gayne Ballet Suite von Arem Khachaturian, einem armenisch-kommunistischen Hardliner dessen Werke oft von seiner Weltanschauung beeinflusst waren. Hier hingegen hören wir nur ein unheimlich schönes Stück, die zwar möglicherweise nicht unaustauschbar ist, aber den Film kongenial unterstützt. Ein bischen anders ist es bei Ligetis drittem Beitrag, dem verstörenden Athmospheres. Unterlegt wurde hiermit die Szene, in der Hauptakteur Dave quasi wiedergeboren wird (wenn man die Szene so interpretieren möchte). Wenn man den Film und im speziellen diese Szene vor dem inneren Auge ablaufen lässt ist es schwierig, die Musik damit zu asoziieren. Die Erinnerungen an Dimensionen die mit Lichtgeschwindigkeit vorbeirauschen, an neu geformte Sternenbilder und Flüge über diverse Planetenoberflächen scheinen eigentlich nach einer dynamischeren Musik zu verlangen. Wenn man sich 2001 dann aber tatsächlich mal wieder ansieht ist es unglaublich, welche Wirkung Atmospheres auf den Szenenverlauf hat. Hier scheint die Komposition den Film beinahe zu dominieren, obwohl die Wiedergeburt sicherlich eine der optisch eindrucksvollsten Szenen der Filmgeschichte sein dürfte - ein Grund mehr, dass sich an dieser Szene auch nach Jahren immer noch die Geister scheiden. Für mich bleibt es eine der genialsten und perfektest umgesetzten Visionen Kubricks und Ligetis. Trotz voll orchestrierter Umsetzung (immerhin 56 Streichinstrumente sind hier, theoretisch, zu hören) hat das Stück rein gar nichts von einem gemütlichen Abend in der Philharmonie. Atmospheres ist sicherlich eines der herausfordernsten Stücke Ligetis und lässt weder melodischen, noch rythmischen Rahmen erkennen. Atmospheres ist Klang, ausschließlich Klang. Und wenn man nach dessen ruhigem Ausklang mit einer feierlichen Reprise der Donau zurückgeholt wird, ist man einfach nur erstaunt, wie unterschiedlich Musik sein kann und wie genial ein Rahmen sein muss, der zwei solcher Stücke tatsächlich plausibel zusammenhalten kann.

Dieser Soundtrack ist sicherlich eine Millionen mal neu aufgelegt wurden (u.a. in einer späteren CD-Auflage inklusive einer uneditierten Version von Atmospheres und, sicherlich weniger sinnvoll, einer Montage von "Bösewicht" HALs Monologen) und bei der Suche auf ebay ist man mehr oder weniger auf sein eigenes Glück angewiesen um eine einigermaßen erhaltene Ausgabe zu ergattern - zu wenige Menschen wissen um die Brillianz dieser Zusammenstellung und versteigern sie als "Dachbodenfund". Ich habe jedenfalls eine sehr gut erhaltene LP bekommen auf der die Farben des wunderbaren, hochgänzenden Covers (eine Zeichnung der Andock-/Donauszene) auch nach 40 Jahren noch so leuchten wie (vermutlich) am ersten Tag. Der Rückcovertext versucht sich zuerst an einer Zusammenfassung der Filmgeschichte und preist anschließend Kubrick, den "great american director" der uns aufzeigt, was wir an Merkwürdigkeiten und Schönheit finden können, wenn wir im Jahr 2001 den Mond und andere Planeten entdecken werden. Schlussendlich war es 1968 bei Release des Filmes nur noch ein Jahr, bis die Menschheit tatsächlich den Mond betrat, aber dieser Text ist ein Musterbeispiel für die Blumigkeit damaliger Plattentexte. Besonders schön gelungen ist jedoch die Aufstellung, welche Musik in welcher Szene zu hören ist und die Abbildung zwei eher obskurer schwarz/weiß-Szenenfotos (von denen es in einer ebenfalls erschienenen Klappcover-Auflage wohl noch mehr gibt...). Eine der, eigentlich weniger aufwendig gemachten, LPs, die ich aufgrund des wunderbaren Covers aber immer wieder gern aus dem Regal nehme. Und wie bewertet man jetzt so einen Brocken...?

Rating - 10 / 10
Vinyl-Rating - 8,5 / 10

- CGV -

Tuesday, April 29, 2008

Wilco - Sky Blue Sky

Wilco - Sky Blue Sky

(2007 / Nonesuch Records / 2 x 12" Vinyl & 1 CD)

Wenn man Artikel über Wilco liest oder sich mal mit den gesammelten Leidenswegen der Band bzw Bandchef Jeff Tweedy auseinandersetzt, kann man sich schon etwas wundern. Vierzigjährige Zwangsneurotiker, unfähig eine gesunde Bandchemie herzustellen oder Suchtprobleme in den Griff zu kriegen. Sind Wilco die teenage angst Band für erwachsene Americana-Liebhaber? Normalerweise erwartet man ja gesetzte Flanellhemdenträger an Slide-Gitarren...Kein Wunder, dass es für die Journallie hier viel zu holen gibt. Verständlich und umso sympathischer wenn Tweedy eventuelle Fragen zur Tablettensucht, Depressionen usw. zur Seite schiebt und lieber über den Studioalltag, neueste Studioexperimente und minutiös darüber berichtet, wie Drummer Glenn Kotche dieses oder jenes Geräusch erzeugt hat. Und hier wird es interessant: denn Wilco sind eine der wandlungsfähigsten Band dieser Tage und auch wenn nicht Jeder den bisherigen Weg und die Entwicklung vor allem auf den letzten Alben nachvollziehen möchte, haben sie inzwischen einen absoluten Ausnahmestatus erreicht. Selten so eine dynamische, perfekt eingespielte Band live gesehen. Selten so klar schimmernde, mitreissende Alben wie die letzten Drei Yankee Hotel Foxtrott, A Ghost is born und Sky Blue Sky gehört. Und um beim Letztgenannten anzusetzen - man hat das Gefühl Großmeistern zuzuhören die die Güte haben uns bei einem ihrer genialen Jams zuhören zu lassen. Und war der Vorgänger A Ghost is born stellenweise sehr widerborstig und ausgefranst (Geschmackssache...Ich finds toll), kann sich heute wieder Jeder auf Wilco einigen...Geht das gut?

Und was macht überhaupt diese Erhabenheit aus? Das schneeweiße Artwork? Der bedachte Umgang mit den Instrumenten? Die perlenden Gitarrenläufe? Die fast jazzigen Drums? Fast alle Antworten gibt es am Anfang des Albums mit Either Way. Hier entscheidet sich außerdem ob man Wilco einfach langweilig findet oder eine neue Lieblingsband entdeckt hat. Ein so reduzierter Song der nebenbei alle Stärken der Band - neben Tweedys Gesang sind das vor allem Kotches Drums und Nels Clines atemberaubende Gitarreneskapaden - auspielt, gab es im Wilco Universum selten. Weiter gehts mit You are my Face, einem Stück, dass einen tatsächlich den miesepetrigen Tweedy von vor ein paar Jahren vergessen lässt und das Album erstmal von Grund auf auflockert. Impossible Germany geht dann erstmal wieder einen Schritt zurück Richtung Vorgängeralbum und ist trotzdem meilenweit vom Stil der älteren Alben wie z.B. Being There entfernt. Schon eher darauf gepasst hätte der Titelsong, ein eher bedächtiger Schunkler mit schönem Gitarrensolo. Sehr gut, aber das soll die Band sein die Spiders (Kidsmoke) geschrieben hat...?! OH! Jetzt erstmal Side with the Seeds! Eines der absoluten Highlights! Nicht nur Tweedy erreicht hier mit seinem lennon'esken Gesang neue Maßstäbe auf seiner Skala, vorallem Cline ist es, der den Song in seinem Mittelpart gänzlich auseinanderschrubbelt und ihn den Rest der Band mit hämischem Grinsen wieder zusammensetzen lässt. Bitte nie vergessen: Mike Jorgensen der diesen Song mit warmen Piano Akkorden, andere Teile des Albums mit strangen Orgelsounds unterlegt und dem Ganzen irgendwie seine ganz eigene Note gibt!

Jetzt erstmal Pause. Oder Shake it off, noch so ein schmieriger Rocker eigentlich, doch die Band spielt ihn mit so einer liebevollen Ironie, dass man sie dafür lieben muss. Ein bischen zuviel des Guten auf LP #2 sind dann jedoch Hate it Here und Walken, beide mit starken 60s Einschlag. Live zwar absolute Highlights, auf dem Album jedoch leider etwas trivial zusammengerockt. Kürzere Gitarreneinsätze stehen der Band da schon besser. Sieht man z.B. beim absolut genialen Leave me (like you found me)! Eine grundsolide Tweedy-Folk-Komposition - aber wie hier von Cline plötzlich in der Bridge die Akzente gesetzt werden ist einfach nur ganz groß. Genau wie What Light, ein Song der vielleicht am wenigsten mit Wilco als Band und am meissten mit ihrem Sänger als Soloartist zu tun hat (...und natürlich mit den Beatles). Als Closer gibts das etwas ätherische, aber durchaus wachsende On and On. Und was bleibt? Man muss festhalten, dass Wilco einen Großteil ihrer Emotionalität geopfert und dafür einen wahnsinnigen Bandsound gewonnen haben. Die Texte fast aller Songs sind fast etwas zu nichtssagend, singen sich an einem vorbei - die Schrulligkeit der letzten Alben bleibt leider außen vor. Musikalisch gesehen kriegt man dafür eine Band die genau da ist wo sie hinwollte und das auch zeigt (man höre auch das tolle, in gleicher Bandbesetzung entstandene Livealbum Kicking Television: Live in Chicago), Produzent Jim O'Rourke sowie die gemeinsamen Touren mit Sonic Youth hatten aber eher auf den Vorgänger Einfluss. Sagen wir mal so: Sky Blue Sky ist das Teil, das das Puzzle komplett macht - dass das Bild große Kunst ist, konnte man aber schon vorher erkennen. Und obwohl ich mich im direkten Vergleich für den Vorgänger A Ghost is born entscheiden würde (das packt einen einfach mehr!), überstrahlt dieses Album als eine Art Resumee das gesamte Wilco-Schaffen und kommt dafür gleich auf Platz 2 (oder 3...) meiner Wilco-Insel-Liste. Den Rest wird die Zeit zeigen...unbedingt jetzt schon anhören! Was natürlich die Wertung einigermaßen schwierig macht...

Weniger schwierig die Wertung des Vinyls, ich hab die Ausgabe ja auch schon in den Jahrescharts als großartig angepriesen. Die Perfektion wird bei der Vinylausgabe auf jeden Fall weitergeführt. Zwei 180gramm Scheiben, ein Textblatt, schweres Gatefold-Cover mit einem tollen Studiofoto in der Mitte. Absolut perfekte Pressung. Und als Bonus ist das ganze Album nochmal als CD beigefügt (ich liege mit meiner Vermutung wohl richtig: die ist dafür da, dass man das tolle Vinyl nicht abnutzen muss). Auf jeden Fall gilt hier: besser geht es (fast) nicht!

Rating - 8 / 10
Vinyl-Rating - 9,5 / 10

- CGV -

Tuesday, September 25, 2007

Battles - Atlas

Battles - Atlas

(2007 / Warp Records /12" Vinyl)

Warp Records hat mal wieder zugeschlagen! Durch den neuerlichen Erfolg einiger, nennen wir es mal "Rock-Bands" aus den Labelreihen (z.B. !!!, Gravenhurst...) und der Euphorie über die auch beim, für eher weniger straighte Musik bekannten, Kult-Label erschienene Maximo Park Debüt-LP vom letzten Jahr, setzt man 2007 große Hoffnungen in die Battles. Deren Musik klingt zwar weder wie die der letztgenannten noch wie die der "Boards of Canada des Rock" (Presseinfo...hier will Warp wohl nochmal auf den eigenen Backkatalog aufmerksam machen...), hat mit dem sonstigen Programm der britischen Label-Institution aber ansonsten schon eher etwas gemein. Eine Zusammenfassung: 1989 in Sheffield von Steve Beckett und Rob Mitchell gegründet erntet Warp erste Underground-Aufmerksamkeit durch das Signing von "schwierigen" Künstlern wie Aphex Twin, Squarepusher und Autechre die zwischen Drum n Bass, Electronica, Ambient, House, Techno und Jungle zwar alles probieren, generell aber eben eins gemeinsam haben: Sie machen elektronische Musik. Durch die innovative Art des Beatmaking, einer objektiv betrachtet hohen Musikalität und einer, wiederrum eher subjektiven, ab-und zu tatsächlich zutreffenden Unhörbarkeit der Scheiben, wird schnell ein Stempel geschnitzt der fortan jeder Warp Veröffentlichung aufgedrückt wird: IDM - Intelligent Dance Music. Man soll hören, nicht tanzen. Und nachdem die ersten Meilenstein-Alben tatsächlich veröffentlicht werden (hier mal ein paar Empfehlungen: Aphex Twin - Selected Ambient Works 85-92 / Richard D James Album, Squarepusher - Feed me Weird Things / Ultravisitor, Boards of Canada - Music has the Right to Children, Nightmares on Wax - In a Space outta Sound) hat das Label den Ruf als Electronic Music-only Unternehmen entgültig weg. Das sich hier aber über die Jahre absolut elektronikfremde, aber eben höchst eigenständige Künstler wie Vincent Gallo oder eben !!! eingenistet haben, schien erst mit dem Erfolg von Maximo Park nach oben geschwemmt worden zu sein.

Aber zurück zu den Battles. Man könnte die Band tatsächlich als eine Zusammenfassung der Labendiscography sehen und hätte trotzdem nicht den Punkt getroffen. Hört man sich das gesamte Mirrored-Album an, von dem diese Single hier stammt, wähnt man sich eher auf einem Jam von Fugazi mit (vielleicht etwas weniger cheesigen) Daft Punk. Ein elektrisches Klickern das auf absolut dominante Toms trifft, minimalistische Riffs (wenn man es so nennen will) und Spielereien mit Ethno- und 70s Prog-Einflüssen...Und da haben wir (bei einem Album das allerdings zu 75% aus Instrumentals besteht) über den Gesang noch gar nicht gesprochen! Manche Tracks der Platte gehen bei all der Fitzeligkeit und Spiellaune dann auch gehörig ins Nichts und manchmal macht sich das Gefühl breit, die Band bleibt etwas hinter ihren Möglichkeiten zurück - man kann ihr aber zu keinem Zeitpunkt Uninspiriertheit vorwerfen. Deshalb eine absolute Kaufempfehlung für das Album, wenn auch keine uneingeschränkte! Wer sich von den Battles allerdings mal so richtig packen und durchschütteln kassen, auf einen Trip mitnehmen will, nach dessen Ende man nach gut 7 Minuten im besten Falle eine komplett neue Sichtweise auf Musik im Allgemeinen hat (sehr pathetisch, ich weiß), sollte zur Atlas-Single greifen. Man wird ja bekanntlich umso skeptischer, je öfter man bei jeder neuen Band vorgekaut kriegt, es handle sich hier um die "Zukunft des Rock" - bei den Battles würde ich das was die Innovationslust betrifft noch am ehesten unterschreiben. Das Ganze wirkt selbst mit dem Wissen um die umfangreiche Band-Vergangenheit der Mitglieder (u.A. Tomahawk, Helmet, Don Caballero) und der Gewissheit, dass es vor diesem Release noch 2 EPs gab, wie ein Vorschlaghammer auf die Ohren. Wie hier mit simpelsten Mitteln (und einem atemberaubenden Drummer) eine Rythmik kreiert wird, wie man sie noch nicht gehört hat, wie sich hier die cleversten Breaks die Klinge in die Hand geben und wie sich der absolut hypnotische, auf Schlumpf-Feeling hochgepitchte Gesang um alles herumschlängelt...Streng genommen ist das irgendwie gar kein richtiger Song, eher ein sich steigernder Jam unter Zuhilfenahme einiger Sample-Knöpfchen, einer Menge Fußpedalen (man bewundere das Band-Equipment auf dem LP-beiliegenden Poster) und einem guten Gespür dafür, wann's zuende sein sollte. Das kommt, wie gesagt, nach 7 Minuten mit einem einzelnen Tom-Schlag von John Stanier...Wahnsinn! Danach kann man die 12" umdrehen und sich von dem äußerst uninspiriertem DJ Koze-Mix berieseln lassen, der aus dem Original zwar ein gänzlich anderes Stück werden lässt, dem Gesamteindruck aber nichts hinzuzufügen hat. Stattdessen stelle ich mir die schockierende Frage in welcher Geschwindigkeit ich die B-Seite überhaupt abspielen soll...Lassen wir das lieber. Und jetzt: Album kaufen, Zeit und Kopfhörer mitbringen und sich die Augen öffnen lassen. Bis jetzt Single des Jahres.

Die 12"-Single kommt in einem (simplen, aber immerhin) Picture-Sleeve mit schwarzer Innenhülle. Das Cover greift wie das Album die Spiegelthematik, die übrigens auch das tolle, wirklich sehenswerte Atlas-Video hervorgebracht hat, wieder auf - hier diesmal allerdings nur mit einigen Schriftzügen und am Rechner erstellt. Trotzdem in Ordnung das Ganze. Durch die Streckung von 7 Minuten auf eine LP-Seite ist der Klang natürlich hervorragend und man brauch hier für den Genuss des Songs nicht die inzwischen wohl relativ rare Mirrored-LP abnutzen.

Rating - 9 / 10
Vinyl-Rating - 7 / 10

- CGV -

Thursday, May 10, 2007

Yo La Tengo - Summer Sun

Yo La Tengo - Summer Sun

(2003 / Matador / 2 x 12" Vinyl)

Die liebsten Platten sind mir eigentlich die, die klingen als wären sie in einer kleinen Waldhütte aufgenommen wurden. Oder die wirken, als würde die Band im Nebenraum aufnehmen. Also sozusagen Rock-Kammermusik! Bonnie Prince Billys The Letting Go ist z.B. so eine. Oder die And all that could have been-Bonus Disc Still von den Nine Inch Nails. Und obwohl Summer Sun gar nichts von der Seelenstriptease der beiden genannten Alben hat, schaffen es Yo La Tengo hier mit jedem Song, eine unglaublich intime Atmosphäre aufzubauen. Sie bleiben eher unauffällig, tauchen unter - was fast bezeichnend ist für ihre ganze Karriere, denn diese Band gibt es tatsächlich schon seit 1984! Und? Wer kennt sie? Still und heimlich veröffentlichen sie seit einigen Jahren Klassiker für Klassiker und kaum jemanden kümmerts! Ihr 1997er Aufbruch in die Stilvielfalt mit I can hear the Heart beating as One (vorher konnte man die Band um das Ehepaar Georgia Hubley und Ira Kaplan schon eher als klassische Noise-Rock-Truppe deklarieren) öffnete zwar viele Ohren (vorallem die der Kritiker), doch insgesamt blieben Yo La Tengo zu unscheinbar um irgendwo außerhalb ihrer devoten Fanbase Aufmerksamkeit zu erregen. Zum Reinhören empfehle ich allerdings auf jeden Fall das aktuelle, etwas beherzter zupackende Album I'm not afraid of you and I will beat your Ass, vor allem das wunderschöne I feel like going home und das absolut absolut absolut unglaubliche Pass the Hatchet, I think I'm Goodkind.

Und wenn man sich diese beiden Tracks anhört, erkennt man eigentlich auch gleich den (eventuellen...) Nachteil an der riesigen Stilvielfalt die die Band besitzt. So kann auf eine Piano-Ballade nach der man sich am liebsten begraben lassen möchte, durchaus ein funkiger Hüftenschwinger mit Fallsettgesang folgen - und so sehr ich das auch schätze, es ist dann eben nicht immer so harmonisch wie es sein könnte. Schlüssiger ist da Summer Sun, setzt das Album doch fast ausschließlich auf ruhige, irgendwie hypnotische Songs. Viel viel Hall, endlose Wiederholung der rhytmischen Schemen zu breiigen Gitarrensoli und natürlich der überaus schläfrige Gesang der beiden (Nicht-)Sänger Ira und Georgia machen das ganze zu einer ziemlich psychedelischen, ja irgendwie fast schläfrig machenden Reise. Das Ganze fühlt sich an, wie wenn man in der Heuschnupfen-Zeit mit (pardon) verkrusteten Augen aufwacht, sich stöhnend aus dem Bett schält, die Jalousien hochmacht und sich am frühen morgen von der Sonne röntgen lässt. Hmmm...das klingt jetzt doch schon etwas negativ! Dabei beginnt das Album nach dem, tatsächlich etwas zähen, Intro Beach Party Tonight mit dem flotten Little Eyes. Und trotz einer wirklich eingängigen Melodie und allem was dazu gehört, merkt man sofort, dass das Album einen herausfordern wird. Dass das erst der erste Akt ist auf einer Platte, die einem Titel wie How to make a Baby Elephant float an den Kopf knallt, durchaus nicht vor ellenlangen (!) Instrumentalpassagen zurückschreckt und kurz vor schluss noch mal einen über 10minütigen Free-Jazz-Track rausholt. Doch die erste der beiden Platten ist eher beschaulich! Mit Nothing But You and Me folgt ein ruhiger Ira-Track der allerdings eher nicht zu den Highlights des Albums gehört. Da schon eher das Dreigespann aus Season of the Shark mit seinen grandiosen 60s-Harmonien, Today is the Day, dass in einer früheren EP-Version zwar noisiger und druckvoller daherkam, hier aber deutlich durchschlagender mit Schlafzimmerstimme und Slide Guitar (ein Instrument, dass seine Wirkung nie verfehlt!) betört und Tiny Birds, einer länglichen, von Bassist James McNew gesungenen Gitarrensinfonie (so muss man es jetzt einfach mal nennen!). Auf den folgenden Stücken verstärken sich Yo La Tengo um diverse Heimorgeln und hauen einige ultrarythmische und relativ kurze Stücke raus die irgendwie sehr vergänglich wirken. Liest man allein die Titel, fällt die Zuordnung doch relativ schwer - hört man aber die ersten Takte fällt einem erstmal auf wie lang der Song einen bereits begleitet hat, wie oft er Teile des Altags bereichert hat in dem er plötzlich (z.B. beim Laub kehren) wieder im Gedächtnis aufgetaucht ist und einen an Sonnenstrahlen erinnert die vielleicht gerade im Moment nicht zu sehen sind. Georgia vs Yo La Tengo ist so einer, Winter A-Go-Go ein anderer und Don't have to be so sad vielleicht der schönste! Wie einem hier der Text ins Ohr geflüstert wird, das rückwärts abgespielte Schlagzeug immer wieder um sich selbst kreist und am Ende die eigentlich unspektakuläre aber doch irgendwie befriedigende Lead-Gitarre ihren Weg aus dem Soundmatsch findet, gehört einfach zu den ganz großen Momenten. Und wenn Let's be still anschließend nochmal an die besten Momente aus Sonic Youths Free City Rhymes erinnert, auf einmal in ein absolut überzeugendes Klanggewitter aus besagten Free Jazz Bläsern und (absolut unnervigen) Flöten umschlägt und auf eine komische Art trotzdem sehr meditativ bleibt, versteht man auch das wissende Grinsen von McNew auf dem Cover. Und da es bei Yo La Tengo fast schon Tradition hat, versöhnliche Coverversionen (siehe My Little Corner of the World auf I can hear the Heart beating as One) ans Ende zu stellen, verdient sich als 13ter Track das von Georgia gesungene, wieder einmal wunderschöne, Big Star-Cover Take Care einen einsamen Ehrenplatz. Und danach kann man eine Wand anstarren und sich überlegen was man jetzt macht, mit diesen ganzen neuen Eindrücken und Inspirationen im Kopf.

Hier muss ich echt mal meine ausdrückliche Empfehlung für die LP-Ausgabe aussprechen (abgesehen davon, dass es natürlich immer die bessere Wahl ist eine Platte zu kaufen...)! Allein schon das tolle Cover in diesem Format zu haben rechtfertigt den Kauf. Dazu gibts noch ein absolut malerisches Innencover, dass ich mir einfach stundenlang anschauen könnte, das auf 2 Platten verteilte Album auf mittelschwerem Vinyl (vermutlich 160g) und natürlich die Gewissheit, dass man jetzt eins der besten Alben (jetzt ist es raus!) in tadelloser Klangqualität im Schrank stehen hat. Ich überlege mir schnell eine Wertung und vergebe mal...

Rating - 9,5 / 10
Vinyl-Rating - 9 / 10

- CGV -

Sunday, May 06, 2007

LCD Soundsystem - Tribulations

LCD Soundsystem - Tribulations

(2005 / DFA Records / 12" Vinyl)

Trends kommen und gehen. Und je schnelllebiger die Zeiten werden, desto kürzer werden auch die Zeitspannen, die einem Künstler bleiben um sich im Musikbusiness bzw. beim Hörer zu behaupten. In den 80ern z.B. konnte neben absolut unantastbaren Dinosauriern wie Depeche Mode auch vermeintlicher "Wegwerf-Pop" wie Duran Duran über Jahre hinweg erfolgreich beweisen, dass auch sie sich Fans erspielen können ohne nach 2 Singles vergessen zu werden (und sogar aus einem Kollosalschaden wie ihrem unverfrorenen Coveralbum fast unbeschadet rauszukommen). Anders ist es da heutzutage. So muss sich das unsympathische Goldkehlchen Nelly Furtado nach 2 Alben mit gefälligem Frühlingspop schon etwas Neues ausdenken (bzw. ihren aktuellen Produzenten Timbaland denken lassen) um die Charts nochmal von oben überblicken zu können. Daran, dass sie begleitend eine 180Grad-Wende zum hirnlosen Disco-Vamp durchgemacht hat, scheint sich dabei auch niemand zu stören. Und konnte man noch vor 3 Jahren darauf setzen, dass jede Neptunes-Produktion ein Hit wird - egal ob für Künstler wie Britney Spears, Snoop Dogg oder Gwen Stefanie oder eigene Projekte wie NERD - kräht heute kein Hahn mehr nach Pharell & Co. Umso überraschender da der Werdegang der DFA (Produzentenschmiede) bzw. James Murphy (Chefdenker) und seiner Band LCD Soundsystem. Die Remixe von DFA für Künstler wie Soulwax, The Rapture oder die Gorillaz gelten als Meilensteine und sind seit nunmehr 5 Jahren der heißeste Scheiß auf den Tanzflächen (was natürlich gerade in der Dance-Szene geradezu astronomisch lang ist!). Ihre Produktion des Rapture Album-Debüts Echoes darf man als Revolution der Dance-Punk-Szene bezeichnen, obwohl sie nicht unumstritten ist. Hier darf man fragen: wieviel ist hier Band und wieviel Produzentenleistung? Zumindest soviel kann gesagt werden: der extrem trockene Klang des Albums, die antiquierten Synthiesounds und natürlich die Trademark-Cowbell waren und sind absolute Markenzeichen von DFA (und auch von LCD Soundsystem).

Warum aber diese ungebrochene Popularität? Warum wird das neue LCD Soundsystem-Album Sound of Silver gerade wieder zum absoluten Kritikerliebling erklärt und wirft Singles ab, die in ihrer einzigartigen Simplizität mal wieder die Setlists so einiger etablierter DJ's bereichern dürften? Nun, erstmal ist da die genreübergreifende Größe des Sounds. Und auch wenn Tribulations (übrigens eine Auskopplung vom selbstbetitelten 05er Debüt der Band) rein gar nichts von einem hangemachten Track hat (anders als andere Songs der Band) und wirklich nur von äußerst billigen Drum-Sounds angetrieben wird, hat es doch einen unfassbar ansteckenden Groove, der offenbar auch dem Rock-Klientel gefällt. Live bringt James Murphy seinen komplett am Computer entstandenen, total reduzierten Sound als richtige Band auf die Bühne, dabei ist es gerade die Synthetik, das plastikhafte, was an der Band fesselt. Und so ist Tribulations ein von vorn bis hinten pulsierender, klinisches, in die Länge gezogenes Ding, bei der sogar Murphys Stimme hallig im Raum verklingt. Alles großartig also! Diese Musik macht sich unter Pro7-Werbetrailern genauso gut wie im Kopfhörer beim Warten auf den Zug und (vermutlich) natürlich da, wo sie vordergründig hingehört, auf dem Dancefloor. Die beiden Remixe auf dieser 12" können dem Original dann auch nicht mehr viel hinzufügen. Der Out of the Trance Closet-Mix von Tiga da noch am ehesten, zieht er doch etwas an der Beat-Schraube und zerrt den Bass nochmal in die Länge wie Kaugummi. Das ist allerdings nichts, was man nicht auch zu Hause nachmachen könnte. Etwas aufwändiger, was nicht heißt "besser", ist da schon der Lindstrom-Mix, der hier und da ein paar neue Bass-Parts einwirft, den Song aber seltsam ausbremst und in seiner Langsamkeit angreifbar macht. Gegen Ende kommen dann sogar noch ein paar 70s Disco-Sounds hinzu, die unangenehme Erinnerungen an Gloria Gaynors I will survive wachwerden lassen...spielen wir lieber nochmal das Original...und diesmal etwas lauter!

Diese 12" ist wohl eher was für DJ's, aber deswegen natürlich nicht weniger empfehlenswert. Lieber hätte ich die schicke 7" mit beigelegtem Poster, aber was solls! Dafür hab ich das grandiose Cover im Großformat (unbedingt etwas mehr Zeit zum anschauen einplanen!). Natürlich kann man sich aber auch gleich das zugehörige Album kaufen! Bei der Pressqualität ist natürlich alles in Ordnung, nur das dünne Sleeve in dem das Vinyl steckt wirkt etwas billig (fühlt sich an wie das Klopapier auf Toiletten in Ost-Jugendherbergen!). Außerdem verrät einem das Label, man solle die Platte auf 45rpm spielen. Ähhh..Kein Wunder, dass ich dachte die Mixe hätten allesamt hochgepitchte Vocals! Ist aber nicht schlimm und macht insgesamt folgendes Rating.

Rating - 8,5 / 10
Vinyl-Rating - 6 / 10

- CGV -

Saturday, May 05, 2007

R.E.M. - Lifes Rich Pageant

R.E.M. - Lifes Rich Pageant

(1986 / IRS / 12" Vinyl)

Egal was die Leute sagen, ob R.E.M. nun mit dem Wechsel zum Major Label Warner und ihrem Wandel zu einer der größten Rockbands der Welt ab dem 88er Album Green nun musikalisch tatsächlich kommerzieller geworden sind oder nicht - ihr 1986 erschienenes, inzwischen 4tes Album (in 4 Jahren!) Lifes Rich Pageant ist eindeutig ein Schritt in eine eingängigere Richtung (vorallem nach dem zerwürfelten Vorgänger Fables of the Reconstruction). Und auch wenn das Publikum erst bei The One I love, dem Top 20-Hit vom 87er Document aufhorchte - Dieses hier ist vielleicht wirklich ihre verträglichste LP. Aber das macht doch nichts!

Mitte der 80er war die US-Indiewelt noch in Ordnung: R.E.M. waren eine der gefragtesten Bands des Landes, lieferten ihrem mittelgroßen Indielabel IRS Records jedes Jahr ein kostengünstiges, begeisterndes Album, kehrten ihm aber trotz etlichen Major-Angeboten und stetig wachsender Fanbase auch mit ihrem vierten Album nicht den Rücken. Ganz ohne Veränderungen ging das Ganze natürlich trotzdem nicht vor sich. Die Aufgabe, ein durchweg fesselndes Album aufzunehmen, hatten sie meiner Meinung nach schon mit ihrem Zweitling Reckoning erfüllt, aus Michael Stipes gemurmelten, so gut wie unverständlichen Texten am Anfang der Karriere, war längst ein, gelinde gesagt, emotional gefärbter und einfach nur mitreissender Gesang gewurden und insgesamt kann man schon sagen, dass sich die Band emanzipiert hatte. Lifes Rich Pageant ist vielleicht das erste Album, dass sowohl dem genialen Gitarrenspiel von Peter Buck produktionstechnik die gebührende Ehre erweist, als auch die Geheimwaffe der Band zum Vorschein bringt - backing vocals by mike mills.

Auch wenn das düstere Cover, welches die unglaublichen Augenbrauen von Drummer Bill Berry mit einer Horde Büffel zusammenschneidet, eine eher introvertierte Platte verspricht, precht Begin the Begin schon mit einer angemessenen Kraft nach vorne. So genau konnte ich die R.E.M.-Magie ja noch nie beschreiben. Und tatsächlich sind es immer recht einfache Elemente aus denen sich die Songs zusammensetzen - doch egal was einen nun so sehr daran fesselt, dieser Song hat alles davon! Mit These Days (übrigens Bill Berrys Lieblingstrack der IRS Years) geht es dann auch sehr rockistisch weiter, wobei die Band eine dermaßen riesige Dynamik entwickelt, klingt als würden sie schon 20 Jahre zusammenspielen und sich blind die Bälle zuwirft. Irgendwie erinnert der Track mit seinen ständigen Breaks und verschiedenen Gesangstempi an einen Besuch in einer Hüpfburg. Anschließend wird das ganze dann etwas ausgebremst. Sehr melodiös und sogar ein bischen politisch (aber nicht U2-politisch!) dreht sich Fall on Me (besonders schön hier: Mike Mills Gesangsbridge) um sauren Regen, während Cuyahoga offiziell die Verschmutzung des gleichnamigen Flusses thematisiert (für mich war der Song allerdings irgendwie eher ein Statement gegen die Vertreibung/Ermordung der Amerikanischen Ureinwohner..hm naja!). Hyena reisst mit seinem Ein-Wort-Refrain dann nochmal absolut die Wurst vom Teller und zeigt vorallem wie wichtig Bill Berrys Drumming für den Gesamtsound ist (man höre sich unter diesem Eindruck nochmal These Days an). Wieviel Strangeness REM immer noch besaßen beweisen Underneath the Bunker, Just a Touch und das absolut unfassbar komische, hornbrillige Superman-Cover (LEAD-vocals by Mike Mills!) am Ende der Platte. Ob diese Songs nun bewusst schräge Einsprengsel sind um einem eine absolut perfekte Pop-Platte zu vermiesen, oder ob sie einfach nicht anders konnten sei mal dahingestellt. Für den Einen Skip-Tracks, für den Anderen liebgewonnene, nerdige Zwischenschübe. Etwas kauzig auch das Honkey!-Banjo am Anfang vom absolut brillianten I Believe und die perlende Gitarre auf The Flowers of Guatemala. What if we give it away fällt vielleicht als einziger Track trotz toller Bassline und irgendwie faszinierendem Refrain etwas ab (aber nur vielleicht!) - ein bischen unmotiviert tönen R.E.M. hier - ein krasser Gegensatz zum Rest der Platte. Wäre noch Swan Swan H, der akustische, etwas gruselige Fast-Alleingang von Stipe der hier zwar nicht zur Höchstform aufläuft, dafür aber einen Text im Gepäck hat, der mehr als nur bizarr ist ("Hey captain, don't you want to buy, some bone chains and toothpicks?"). Was bleibt also noch zu sagen? Sicher gibt es ausgereiftere Alben (Automatic for the People? gar Around the Sun?), den Charme von Lifes Rich Pageant macht es aber einfach aus, absolute Pop-Meisterwerke neben betrunkenen Quatsch zu stellen und einem Songs wie Superman als Hits (...btw: und Single!!) zu verkaufen. Bei mir hat es jedenfalls funktioniert! Absoluter Klassiker und eine der allerbesten LPs der Band!

Zum Vinyl selber kann man gar nicht soviel sagen. Da die IRS-Alben in der Vergangenheit lediglich auf CD rereleased wurden und es derzeit keine LP-Auflagen gibt, musste auch ich wohl oder übel auf Ebay zurückgreifen (wo die Dinger derzeit allerdings SEHR günstig weggehen!) und mir ein gebrauchtes Exemplar bestellen. Das Backcover und das Inner-Sleeve sind leider nicht so aufregend wie das wunderbare Cover - aber immerhin gibt es überhaupt ein Sleeve! Die Pressqualität ist natürlich tadellos, digitale Überspielung gab es 1986 schlichtweg nicht (oder doch?). Die CD-Neuauflage bietet zwar einige Bonustracks, die aber wie auch bei allen anderen Rereleases (Murmur, Reckoning, Fables of the Reconstruction und Document) eher verzichtbar sind, auch weil sie die perfekt ausballancierte Gesamtlänge der Alben aus dem Gleichgewicht bringen - also geht lieber den Umweg und holt euch mühsam diese wunderbare Platte auf Vinyl!

Rating - 10 / 10
Vinyl-Rating - 7 / 10

- CGV -